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SWARM INTELLIGENCE
mit Arbeiten von Ester Alemayehu Hatle, Lena Laguna Diel, Salome Jokhadze, Madeleine Noraas, Anastasia Pavlou, Margherita Raso, Lorenz Walter Wernli und Gerta Xhafera.
Diese Präsentation ist eine digitale Erweiterung der Ausstellung SWARM INTELLIGENCE in den GGG Förderateliers in Basel.
Alle Fotos von Gina Folly.
Die Künstler:in in ihrem Atelier wird seit langem als einsame Kämpfer:in auf der Suche nach Schönheit und Wahrheit dargestellt. In diesem Bild ist der einzige Begleiter der kunstschaffenden Person das erdrückende Gewicht ihres eigenen Genies. Doch nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Kunst entfaltet sich immer in einem Dialog, in einem Gespräch, in einer unsteten, beinahe rituellen Version eines Brainstorming-Meetings. Wir müssen die Künstler:in nicht als eine einzelne Person sehen, sondern als ein Symptom der vielen - von einer Pluralität, die denkt, handelt und produziert. Die Art und Weise, wie ein fertiges Kunstwerk entsteht, wird immer ein magischer Akt bleiben, bei dem eine unbekannte Anzahl von Zauber:innen hinter dem Bühnenvorhang mit ihren Stäben herumwirbelt.
Diese Ausstellung an den offenen Ateliertagen will über eine unbewusste kollektive Intelligenz nachdenken, wie sie in Tierschwärmen beobachtet wurde, wie beispielsweise Zugvögel, die am frühen Morgenhimmel tanzende Wolken bilden. Das ‹Eine› ist ein Symptom eines ‹Ganzen›, und das ‹Ganze› hat nie existiert, weil es sich im permanenten Fluss befindet. Aber genau dies sind die Bedingungen, unter denen sich Kunst entfalten und realisieren kann. Die Kunst ist eine Reihe von Ausdrucksformen, die sich dem festen Boden entziehen, während sie durch eine Welt im Entstehen fliegen. Oder wie es die Booker-Preisträgerin Samantha Harvey vielleicht am besten ausdrückt, wenn sie schreibt (nicht über Kunst, sondern über den Planeten Erde als Ganzes): «Not to understand its mystery, but to understand that it is mysterious. To see it as a mathematical swarm. To see the solidity fall away from it.»
Lena Laguna Diel
Lena Laguna Diel zeigt vor den grossen Fenstern ihres Ateliers Silhouetten von Vögeln. Die weissen Formen wirken fast wie das Gegenstück zu den Vogel-Aufklebern, die verhindern sollen, dass tatsächliche Vögel gegen das Glas fliegen. Auf den zweiten Blick verweist jede Silhouette auf eine andere Vogelart. In Diels Werk treffen Tiere aufeinander, die sich sonst nie begegnen würden. Das Werk schlägt Brücken zwischen den Kontinenten, und so können einzelne Lebewesen in der Welt dieses Kunstwerks zu einem Schwarm werden. Diels Werk lässt im Allgemeinen eine Vielzahl von Elementen aufeinanderprallen, überlappen und sich ausdehnen. Es beschäftigt sich mit den Kräften, die sich unserem direkten Zugriff entziehen. Neben den Vogelsilhouetten zeigt Diel eine Auswahl von Cyanotypien, die verschiedene Handgesten darstellen. In Kombination mit den Vögeln scheinen die Hände eine Art Schattenspiel zu vollführen, bei dem sich zwei Hände zu einer einzigartigen Form zusammenfinden.
Lena Laguna Diel
Imagination Increases the Value of Reality, 2025
Holz, Metall
Una fuerza loca, 2023-25
Cyanotypien auf Leinwand
Anastasia Pavlou
Anastasia Pavlou hat ein einzelnes Bild ausgewählt, das stellvertretend für ihr umfangreiches Werk steht. Pavlou interessiert sich für den Prozess, in dem ein Gemälde - sei es abstrakt oder figurativ - entsteht. Die Farbe ist nicht einfach nur Farbe, sondern wird zu einem Material, das auf eine fast skulpturale Weise verwendet wird. Viele von Pavlous Gemälden nehmen reliefartige Strukturen an und verändern daher ihr Aussehen, wenn sich der Betrachter um sie herum bewegt. Der einzelne Vogel, der in dieser Ausstellung zu sehen ist, ist auch auf den Arm der Künstlerin tätowiert. Der Körper der Künstlerin und ihr Werk sind miteinander verwoben.
Anastasia Pavlou
Low View Flights, 2024
Öl, Wasser, Gesso auf Leinwand
Margherita Raso
Mit Blick auf den Schwarm hat Raso uns eine Ente gegeben - zumindest eine Art Ente. duck (down) ist ein Aluminiumguss, der wie eine comic-artige Ente zu watscheln scheint. «Duck Down» bedeutet aber auch, dass man seinen Kopf oder Körper nach unten bewegt, um nicht gesehen zu werden. Das könnte in einer Menschenmenge passieren, vielleicht in einer Gruppe von Schülern, wo jemand nicht vom Lehrer entdeckt werden will. Sich zu ducken ist nur in einer Gruppe möglich. Die Möglichkeiten des Einzelnen ändern sich, wenn er von Menschen umgeben ist.
Margherita Raso
duck (down), 2024
Aluminium
Salome Jokhadze
Salome Jokhadze zeigt die ersten Arbeiten, die sie nach ihrer Ankunft in der Schweiz gemacht hat. Die fünf Keramikfiguren tragen alle den Titel untitled, aber vielleicht ist das nur eine Aufforderung an die Betrachter:innen, sich eigene Namen für diese Wesen auszudenken, die einem Märchen entsprungen zu sein scheinen. Da viele dieser Arbeiten Flügel aufweisen, kann man sich leicht vorstellen, wie die Wesen an der Atelierwand herumschwirren. Es könnte sich fast um ein Standbild aus einer Stop-Motion-Animation handeln, in der diese Keramikarbeiten zusammenkommen und wieder auseinanderfliegen, wobei sie zwischen einem märchenhaften Schwarm und einzelnen Abenteurerinnen wechseln, von denen jede auf ihrer eigenen Reise ist.
Salome Jokhadze
untitled, 2024
Bemalte Keramik
Lorenz Walter Wernli
Lorenz Walter Wernli zeigt eine Serie von Arbeiten. Insgesamt sind es fünf Werke, die alle in den letzten Monaten entstanden sind. Jedes Werk beschäftigt sich mit Motiven der Wiederholung und Anordnung einzelner Merkmale. Zahlen, Punkte, rechteckige Schatten oder bemalte Kunststoffkuppeln sind auf den Flächen verteilt. Die Spannung in den Arbeiten entsteht durch die Zwischenräume, welche diese sorgfältig angeordneten Elemente trennen. Die Oberflächen sind strukturiert und reflektierend, als wollten sie uns daran erinnern, dass es immer einen Raum der Ungewissheit und des Potenzials zwischen den einzelnen Akteur:innen in einem bestimmten Szenario gibt.
Love Without Desire, 2025
MDF, Holz, Papier, Karton, Kleber, Lack, Tinte
A Pause in the Conversation, 2025
MDF, Holz, Karton, Kleber. Lack
Four Seasons, 2025
MDF, Holz, Papier, Klebeband, Kleber, Acryl, Lack
Day & Night (1), 2025
MDF, Holz, Papier, Plastik, Klebeband, Kleber, Lack
Day & Night (2), 2025
MDF, Holz, Papie
Ester Alemayehu Hatle
Ester Alemayehu Hatle shows a series of paper works. The five white paper sculptures are the imprints of shelves and hold a secret life of drawings and other images inside them. Through cracks in the wet pressed paper material that would be considered mistakes in the case of an industrial production, the insides of the objects become visible. The pieces are a sort of negative space that are reminiscent of minimal art but contradict any kind of slick form of presentation. The works meditate on how memory is inscribed into architecture and also interior design. Things and people come and go and leave their traces. A place becomes a vessel to carry the history of all it has witnessed.
Ester Alemayehu Hatle
Chattel, 2025
Papier, Kleber, diverse Materialien
Gerta Xhaferaj
Gerta Xhaferaj zeigt einen Ausschnitt aus ihrer Abschlussarbeit. Die beiden grossgezogenen Fotografien in selbstgebauten Holzrahmen zeigen einen Fisch und ein Auto, die aus der Nähe nicht eindeutig identifizierbar sind. Der Körper des Tieres und das Licht des Fahrzeugs werden zu einer abstrakten Landschaft. Als Mittel zur weiteren Abstraktion ist das Bild mit der glänzenden Schwärze von Bitumen überzogen, einem Material, das in der Gegend abgebaut wird, in der Xhaferaj aufgewachsen ist. Am Ende des Gangs hat Gerta Xhaferaj ihren neu geschnittenen Videoloop installiert, eine Projektion, die in ihre persönlichen Erinnerungen eintaucht. Während ihrer Kindheit in Albanien hat Xhaferaj alltägliche Momente mit einem Camcorder gefilmt. Diese Bilder erzählen auch Geschichten über die generelleren sozio-politischen Strukturen der damaligen Zeit. Ihr Vater editierte Bilder von Blumen in das Material, um dessen Unvollkommenheit zu verbergen.
Gerta Xhaferaj
A PAUSE A ROSE SOMETHING ON PAPER, 2024
Bitumen auf Hanhnemühlepapier und Videoprojektion
Madeleine Noraas
Madeleine Noraas zeigt ihre neue Textilarbeit Palimpest, welche sie für die Ausstellung im geschaffen hat. Ein ganz weisses Gewebe wird von schweren Steinen straff gezogen. Dies ist inspiriert von der Art und Weise, wie einige Kulturen traditionell Webstühle herstellten. Das Gewicht der Steine ermöglicht es, verschiedene Arten von Garnen mit unterschiedlichen Spannungen durch die langen weissen Polyesterfäden zu weben. Alle Materialien für diese Arbeit und andere Arbeiten von Noraas sind aus recycliertem Material, das häufig für eine andere Verwendung produziert wurde.
Madeleine Noraas
Palimpsest, 2025
Neuverwendete Materialen, mit textilen Fragmenten von Verena Romer Iversen